Die International Biochar Initative organisiert jährlich eine Studienreise durch ein Land, in dem es interessante Entwicklungen zum Thema Pflanzenkohle gibt. Vorstandsmitglied Benedikt Zimmermann reiste dieses Jahr drei Tage mit 100 anderen Teilnehmern durch Finnland.
FVPK: Was war für Dich die wichtigste neue Erkenntnis der Studienreise?
Benedikt Zimmermann: CO2-Zertifikate waren das große Thema der Tour. Puro ist ein etablierter Marktplatz für CO2-Senken. Er gehört zum finnischen Energieversorger Fortum. Auch in der Ökoregion Kaindorf in der Steiermark gibt es schon ein etabliertes CO2-Handelssystem, hier werden Landwirte für den Aufbau von Kohlenstoff im Boden belohnt. Interessant sind die Preisunterschiede: Bei Puro bestimmt eine Auktion den Preis für eine Tonne CO2. Der liegt aktuell bei gerade einmal 20 Euro. Die Ökoregion Kaindorf verlangt vom Käufer einen festen Preis von 45 Euro für eine Tonne CO2. Obwohl der Preis doppelt so hoch ist sind bisher noch alle Zertifikate verkauft worden. Wenn es nach der CarbonFuture geht, soll der Handel von CO2-Zertifikaten zukünftig über eine Blockchain basierte Handelsplattform erfolgen, um vollständige Transparenz zu gewährleisten sowie unabhängige Zertifizierung und Auditierung zu ermöglichen. Der Ansatz von CarbonFuture beruht auf einem CO2-Leasing-Konzept das von Hans-Peter Schmidt vom Ithaka-Institut vorgestellt wurde.
FVPK: Warum ist das Leasing von CO2-Zertifikaten sinnvoller als der Kauf?
Benedikt Zimmermann: Um der Klimakrise überhaupt noch Herr zu werden, reicht es nicht aus nur den Treibhausgas-Ausstoß auf null zu senken, wir müssen dazu auch aktiv wieder CO2 aus der Luft zurückholen. Pflanzenkohle ist hier aktuell eine der ganz wenigen Lösungsansätze, die relevante Volumina kurzfristig und ohne Risiken und Nebenwirkungen ermöglicht. Hans-Peter Schmidt zeigt sich überzeugt, dass die Nachfrage nach CO2-Abscheidung in kurzer Zeit das Angebot um ein Vielfaches übersteigen wird. Der Preis wird in der Folge nur einen Weg kennen: nach oben. Wer wirtschaftlich denkt wartet in diesem Markt mit dem Verkauf seiner Senken, denn er könnte ja morgen mehr verdienen als heute. Dabei brauchen wir jetzt aber sofort CO2-Senken, wir können nicht mehr warten. Wenn ich meine CO2 Senken zu flexiblen Raten verlease, kann ich von steigenden Preisen auch noch mit meinen bereits bestehenden Senken profitieren. Mit dem Konzept der CarbonFuture-Plattform lohnt es sich jetzt sofort voll einzusteigen.
Wir müssen aber auch die Realität einer CO2-Senke beachten. Das CO2 das wir jetzt in die Atmosphäre blasen, wird dort für ca. 1000 Jahre bleiben und zum Treibhauseffekt beitragen. Nicht alle CO2-Senken, die man dem entgegenstellt, sind so lange Zeit stabil. Humus bindet z.B. viel Kohlenstoff, aber durch schlechte Bewirtschaftung kann ein Landwirt innerhalb von sehr kurzer Zeit Humus zu Methan und CO2 abbauen, der zuvor mühevoll in Jahrzehnten angereichert wurde. Obwohl Pflanzenkohle im Boden vergleichsweise stabil ist, gehen auch hier wenn auch geringe Mengen an flüchtigen Kohlenstoffbestandteile in wenigen Jahren verloren. Durch den Verkauf von Zertifikaten suggeriert man dem Käufer, dass man das Problem für immer gelöst hat. Tatsächlich hat man aber vielleicht nur 5, 15 oder 50 Jahre Zeit erkauft. Beim Verkauf geht es nur um Tonnen, – beim Leasing um Tonnen und Jahre. Verluste werden also realistisch miteingerechnet. Ein schlauer CO2-Senken-Händler stellt sich dann ein Portfolio aus unterschiedlichen CO2-Senken zusammen, die ihre Schwächen und Halbwertszeiten ausgleichen.
FVPK: Was ist das besondere an Pflanzenkohle in Finnland?
Benedikt Zimmermann: Finnland hat gerade einmal 5,5 Millionen Einwohner, deutlich weniger als beispielsweise Hessen. Dennoch gibt es eine große Pflanzenkohle-Wirtschaft sowie privatwirtschaftliche und universitäre Forschung und einen eigenen Fachverband. Holz ist in großen Mengen, guter Qualität und zu günstigen Preisen verfügbar. Der Bedarf an Wärmeenergie im Winter ist enorm. Das ist sicher ein Standortvorteil.
Auch politisch ist das Thema schon weiter: Krista Mikkonen, die finnische Umweltministerin hat die Veranstaltung besucht und Pflanzenkohle in ihrer Rede sehr positiv bewertet. Das Interesse und die Unterstützung durch die Politik scheinen in Finnland größer zu sein.
FVPK: Welche Anwendungen standen im Vordergrund der Veranstaltung?
Benedikt Zimmermann: Pflanzenkohle im Städtebau ist in Finnland bereits ein großes Thema, aber in Schweden geht es total durch die Decke. Pflanzenkohle wird dort auch in großen städtischen Bauvorhaben eingesetzt. In Uppsala wird gerade ein ganz neuer Stadtteil auf Pflanzenkohle gebaut. Gemischt mit Steinen und Kompost werden dort Stadtbäume mit Pflanzenkohle gestärkt. Das Ganze gehört zu unterirdischen Drainagesystemen, die bei Starkregen und Fluten Wasser sicher und umweltfreundlich ableiten. Die Pflanzenkohle filtert das Wasser und die Bäume nehmen sich die Nährstoffe daraus. Auch im Umweltschutz spielt Pflanzenkohle eine große Rolle. In Wales dient Pflanzenkohle dazu schwermetallverseuchte Minengebiete, auf denen nichts mehr wächst, abzudecken und zu begrünen. In Finnland soll ein großer Pflanzenkohlefilter nährstoffüberlastete Drainagen filtern und so helfen belastete Seen zu säubern.
FVPK: Welches Fazit ziehst Du aus der Tour?
Benedikt Zimmermann: Finnland und Schweden gehören bei der Anwendung in der Stadt klar zu den Vorreitern. Hier sollten sich viele Städte in Europa eine Scheibe abschneiden, denn die Probleme mit denen die Städte in Zeiten der Klimakrise zu tun bekommen, sind überall ähnlich gelagert: Pflanzenkohle hilft Gemeinden verschiedene Extremwetterereignisse besser zu verkraften. Auch Technologisch hat sich mal wieder Einiges getan. Die Pyrolyse-Anlagenbauer aus den deutschsprachigen Ländern gehören klar zur Weltspitze. Es gibt rund um das Thema Pflanzenkohle aktuell mehr Ideen als Entwickler, um diese alle umzusetzen. Das Potential der Pflanzenkohle ist nach wie vor riesig.