In der Landwirtschaft entstehen 25% unserer Emissionen, die sich nicht allein durch erneuerbare Energie reduzieren lassen. Die Pflanzenkohle könnte als Negativ-Emissions-Technologie eine saubere Revolution der Landwirtschaft bewirken.
Landwirtschaft als Dienstleistung für Umwelt, Klima, Erneuerbare Energie und Nahrungsmittel
Die globalen Anstrengungen zur Energiewende fokussieren sich meist auf die Sektoren Elektrizität, Wärmeversorgung und Mobilität. Sind diese auf 100% Erneuerbare umgestellt, dann ist – so die vorherrschende Meinung – die Energiewende vollendet. Leider werden dabei oft die rund 25% Restemissionen aus der Landwirtschaft vergessen. Diese lassen sich nicht allein durch PV, Wind- oder Wasserkraft reduzieren, sondern es sind andere Technologien und Methoden gefragt. Hierbei kommt der Pflanzenkohle (PK) eine Schlüsselrolle zu – ihr steht wahrscheinlich eine ähnlich disruptive Entwicklung wie der Photovoltaik bevor. Sie wird eine saubere Revolution der Landwirtschaft bewirken.
Emissionen aus der Landwirtschaft
Landnutzungsänderungen, Einsatz fossiler Treibstoffe für Landmaschinen
und synthetische Düngemittel. Trotz dieses Zustands besteht kaum
politischer Wille den landwirtschaftlichen Sektor zu wesentlichen
Emissionsminderungen zu verpflichten. Dabei könnte mit den richtigen
Weichenstellungen die Landwirtschaft das Klima schützen, statt zu
belasten. Denn mangels großtechnischer Lösungen, sind es nur Bäume,
sonstige Pflanzen und Algen, die CO2 in klimarelevanten
Mengen aus der Atmosphäre entziehen können. Ein Schlüssel zur Rettung
des Klimas liegt also in einer Landwirtschaft, welche dem Planeten zu
mehr Biomasse verhilft und den so gewonnenen Kohlenstoff langfristig im
Boden und in neuen Bio-Materialien speichert.
Die Bewirtschaftung von Ackerboden sowie die Nutzung landwirtschaftlicher Erzeugnisse verursacht durch verschiedene Prozesse Treibhausgas-Emissionen:
- Lachgas (N2O) – Emissionen aus verdichteten, überdüngten Böden sowie Tierhaltung
- Methan (CH4) und Ammoniak (NH3) aus der Tierhaltung und Düngung
- CO2 und CH4 aus schlecht belüfteter Kompostierung sowie der Nachgärung von Gärprodukten aus Biogasanlagen
- CO2 aus Landmaschinen mit Verbrennungsmotoren
Pflanzenkohle – ein Material mit System
- Pflanzenkohle (PK) – feste Fraktion – ca. 30%
- Pyrolyseöl – flüssige Fraktion – ca. 40%
- Pyrolysegas – gasförmige Fraktion – ca. 30%
Das Material muss zuvor auf ca. 20% Wassergehalt getrocknet werden, sodass während des Trocknungsprozesses auch Wasser produziert wird, das landwirtschaftlich genutzt werden kann. Ein wichtiger Aspekt in trockenen Gebieten und in Zeiten des Klimawandels.
Eigenschaften von Pflanzenkohle
Die erzeugte PK hat je nach Substrat unterschiedliche Eigenschaften, jedoch ist sie stets sehr porös und erinnert an Aktivkohle mit inneren Oberflächen von ca. 200-300 m2/g (Aktivkohle: >900 m2/g), siehe Abbildung 6.
Die große Porosität erklärt einige der positiven Eigenschaften der PK:
• Wasserspeicherung
• Nährstoffspeicherung
• Adsorption und Immobilisierung von Schadstoffen
• Lockerung und Belüftung des Bodens
• Habitat für Mikroorganismen
Anders als Grillkohle, die traditionell in sehr langsamen Prozessen in Erd- oder Metallmeilern ohne anschließende Dampfreinigung hergestellt wird, sind die Poren der PK sehr sauber. In Grillkohle sind diese mit verschiedenen schädlichen Verbindungen (z.B. PAK) verstopft, die beim Grillen das typische (leider gesundheitsschädliche) Aroma freisetzen. Für die stoffliche Anwendung z.B. in der Landwirtschaft ist Grillkohle daher völlig ungeeignet.
Zudem muss Pflanzenkohle vor der Anwendung im Boden aufgeladen werden. Dafür wird die PK mit flüssigen Nährstoffen vermischt, sodass sich die Poren mit Nährstoffen (vor allem Stickstoff) füllen können. Dies geschieht am einfachsten mit Gülle sowie durch die Verfütterung an Vieh, die Einbringung in die Stallunterlage oder durch eine Mit-Kompostierung (bis zu 50% PK Anteil im Kompost).
Würde unbeladene PK in den Boden eingebracht, würde diese zunächst die Nährstoffe aus dem Boden binden, und die Pflanzen werden unterversorgt. Daher darf ausschließlich mit Nährstoffen beladene, saubere PK in den Boden eingebracht werden. Kohle ist nicht gleich Kohle, auch wenn sie auf den ersten Blick gleich aussieht.
Um optimale Synergieeffekte bei der Nutzung von PK zu erhalten, kann diese konsequent in die landwirtschaftliche Prozesskette eingespeist werden (siehe Abbildung 7). Zum einen optimiert PK die biologischen Prozesse in der Kompostierung und sorgt damit für besonders effektive Pflanzerden und Substrate, die z.B. auf städtischen Grünflächen eingesetzt werden können. Zum anderen erhöht PK die Silagequalität durch Beschleunigung der Fermentationsreaktionen (Reduktion von Schimmelbildung), bevor sie die Tiergesundheit und Futterverwertung (durch lediglich 1% PK-Zusatz zum Tierfutter) steigert. Als Einstreu bindet PK Gerüche (Ammoniak-Emissionen) und verbessert die Luftqualität im Stall. Gleichzeitig wird die Kohle biologisch aufgeladen. Als Zusatz in Gülle- und Jauchegruben werden Nährstoffe gespeichert, unangenehme Gerüche gebunden und das Produkt wird stapelbar [13]. Letzteres ist ein wesentlicher Vorteil für die Behandlung der enormen Güllemengen, für die sonst aufwändig Behälter gebaut werden müssen. Mit ausreichend PK versetzt, kann Gülle in Big Bags gelagert und die Emissionen erheblich reduziert werden. Die verminderte Ammoniak-Ausgasung bedeutet dabei nicht nur geringere Geruchsbelästigung, sondern auch die Verminderung von Nährstoffverlusten (Stickstoff) und Klimagasen. Anschließend wird die aufgeladene PK in die Böden ausgebracht und steigert dort Ertrag und Stressresistenz von Pflanzen.
Die mit organischen Nährstoffen angereicherte Pflanzkohle wird dann nicht etwa flächig ausgebracht, sondern konzentriert direkt in die Wurzelzone der Pflanzen appliziert. Positive Effekte dieser Wurzelapplikation [9] in geringen Dosen von 0,5 – 2 t PK/ha wurde bereits in mehr als 100 Feldtests weltweit demonstriert. Während nährstoffarme, tropische Böden mit durchschnittlich mehr als 100% Ertragssteigerung besonders stark profitieren, sind für besser versorgte europäische Böden Ertragssteigerungen im Bereich von 10 – 20% realistisch.
PK ermöglicht damit im biologischen Anbau gleiche oder bessere Erträge als mit Kunstdünger. Insbesondere Entwicklungsländer können sich damit aus dem Würgegriff der Agrochemie lösen und durch selbst vor Ort erzeugte PK-Produkte gesunde Lebensmittel mit hohen Erträgen erzeugen und gleichzeitig durch Negativemissionen das Klima schützen. Die PK hat damit eine enorme basisdemokratische Dimension, die auch aktiv Fluchtursachen bekämpft, da die Landbevölkerung wieder größere Wertschöpfung erzielen kann, die nicht an Pestizid- und Kunstdüngerindustrie abgeführt werden müssen.
Der Weg zur Reduktion der landwirtschaftlichen Emissionen
In einem Folgeartikel werden wir die Potenziale des Climate Farming bzw. Landwirtschaft 5.0 zur Kohlenstoff-Sequestrierung in Deutschland und global quantifizieren sowie die Verbindung von Photovoltaik und Pflanzenkohle zur Solarpyrolyse vorstellen.
Referenzen
[1] Allen M, Barros V, Broome J, Cramer W, Christ R, et al. 2014. IPCC fifth assessment synthesis report – Climate Change 2014 synthesis report.
[2] https://www.ke-next.de/antriebstechnik/traktor-mit-elektroantrieb-282.html, abgerufen am 29.7.2018
[3] http://www.european-biochar.org/en, abgerufen am 29.7.2018
[4] Zimmerman AR, Gao B. 2013. The Stability of Biochar in the Environment. In: Ladygina N and Rineau F (eds) Biochar and Soil Biota. Boca Raton, 1–40
[5] http://www.ithaka-institut.org/de/ct/113, abgerufen am 26.7.2018
[6] http://www.ithaka-journal.net/terra-preta-modell-einer-kulturtechnik, abgerufen am 29.7.2018
[7] Schmidt HP, Taylor P. 2014. Kon-Tiki flame curtain pyrolysis for the democratization of biochar production. the Biochar Journal 1: 14–24
[8] http://www.ithaka-journal.net/kon-tiki-die-demokratisierung-der-pflanzenkohleproduktion, abgerufen am 29.7.2018
[9] http://www.ithaka-journal.net/wurzelapplikation, abgerufen am 29.7.2018
[10] Lünenbürger B. 2012. Klimaschutz und Emissionshandel in der Landwirtschaft. Umweltbundesamt
[11] Peter S. 2011. Entwicklung der landwirtschaftlichen Stickstoff-Emissionen bis im Jahr 2020. Agrarforschung Schweiz 2: 162–169
[12] Lal R, Negassa W, Lorenz K. 2015. Carbon sequestration in soil. Current Opinion in Environmental Sustainability 15: 79–86. DOI: 10.1016/j.cosust.2015.09.002
[13] Schmidt H-P, Pandit BH, Cornelissen G, Kammann CI. 2017. Biochar-Based Fertilization with Liquid Nutrient Enrichment: 21 Field Trials Covering 13 Crop Species in Nepal. Land Degradation and Development 28: 2324–2342. DOI: 10.1002/ldr.2761
Autoren
Prof. Dr. rer. nat. Daniel Kray
Dipl.-Physiker, promovierte am Fraunhofer ISE über Photovoltaik, arbeitete ab 2009 in der PV-Industrie und ist seit 2012 Professor für Erneuerbare Energien an der Hochschule Offenburg mit den Schwerpunkten PV und Pflanzenkohle. Daniel Kray ist seit 1997 Mitglied des SFV und seit dem 10.11.2018 zweiter Vorsitzender des SFV.
Hans-Peter Schmidt
Gründungsdirektor des schweizerischen Ithaka Institute for Carbon Strategies. Mit seinem Institut entwickelt und verwirklicht er Konzepte klimapositiver Landwirtschaft in Europa, Asien und Lateinamerika. Er leitet die European Biochar Foundation und ist Editor des Biochar Journal.
Ein Gedanke zu „Ist Pflanzenkohle ein Missing Link für das 1,5°C-Ziel?“
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