Über Pflanzenkohle wird seit einigen Jahren viel gesprochen: Das Material mit den zahlreichen positiven Eigenschaften für Klima und Landwirtschaft wird erforscht, getestet und kommt in vielen Betrieben bereits zur praktischen Anwendung.
Dennoch werden in der öffentlichen Diskussion Begriffe verwendet, die unterschiedliche Stoffe mit verschiedenen Eigenschaften beschreiben. Dr. Susanne Veser, Vorsitzende des Fachverbandes Pflanzenkohle, fordert: „In der breiten Öffentlichkeit wird Pflanzenkohle oft mit HTC-Kohle verwechselt. Hier muss aber deutlich unterschieden werden, damit die positiven Eigenschaften der Pflanzenkohle auch wirklich nur ihr zugeschrieben werden.“
Prof. Claudia Kammann, selbst Mitglied im Fachverband, hat an der Justus-Liebig-Universität Gießen zum Einsatz von Biokohlen in Böden geforscht¹. Sie trennt die Bezeichnungen scharf voneinander ab: Biokohle dient im Deutschen als Überbegriff für alle aus Biomasse hergestellten Kohlen; im Englischen gibt es keinen äquivalenten Oberbegriff bisher. Um Biokohlen herzustellen, gibt es im Wesentlichen zwei verschiedene Techniken: Mit Hilfe von Wasser oder Wasserdampf entsteht bei der hydrothermalen Karbonisierung unter hohem Druck und oft unter Zugabe chemischer Zusätze die sogenannte HTC-Kohle. Sie ist von den Materialeigenschaften her der Braunkohle ähnlich. Pflanzenkohle (englisch Biochar) hingegen ist das Produkt eines Pyrolyse-Verfahrens, bei dem Biomasse bei höheren Temperaturen über 300°C zu einer feinporösen Kohle verarbeitet wird. In seiner Definition von Pflanzenkohle orientiert sich der Fachverband an der Richtlinie des European Biochar Certificate, die unter anderem ein Verhältnis von Wasserstoff zu organisch gebundenem Kohlenstoff von weniger als 0,7 festlegt. Da HTC-Kohle diesen Wert nicht erreichen kann, ist dadurch eine Verwechslung der beiden Kohlearten ausgeschlossen.
HTC-Kohle wird vor allem aus feuchten bis sehr nassen organischen Reststoffen hergestellt, darunter Stoffe, die bisher nur schwer wieder zu verwerten sind, wie Klärschlamm, nasses, halb zersetztes Laub und andere. Auch die Pflanzenkohle wird aus Abfallstoffen z. B. aus der Landwirtschaft oder der Gärtnerei hergestellt – vorrangig jedoch trockeneren Materialien. Dazu zählen unter anderem Hecken-, Baum- oder Grasschnitt, aber auch Getreidespelzen oder andere Reststoffe. In der anschließenden Pyrolyse, einer modernen, sauberen Methode, die mit der ursprünglichen Technik derVerkohlung in Meilern nur noch den Sauerstoff-Ausschluss gemein hat, werden die biologischen Ausgangsstoffe bei hohen Temperaturen verschwelt. Moderne Anlage lassen in der Regel auch die Nutzung der Abwärme zu, mit der fossile Brennstoffe ersetzt werden können.
So wie diese Herstellungsverfahren sich unterscheiden, sind auch die daraus produzierten Kohlen in ihren Eigenschaften und damit in ihren Einsatzmöglichkeiten deutlich voneinander verschieden. In einem mehrjährigen Forschungsprojekt von 2009 bis 2015 hat Prof. Kammann in unterschiedlichen Versuchsreihen untersucht, wie sich die verschiedenen Biokohlen auf den Boden und das Pflanzenwachstum auswirken.
Im Unterschied zu HTC-Kohlen zeigte sich, dass die mit Pflanzenkohle bearbeiteten Böden Kohlenstoff deutlich länger einlagern können und auch weniger klimarelevantes Lachgas ausstoßen. Die HTC-Kohlen konnten hingegen Lachgas-Emissionen nicht reduzieren und wurden auch schneller im Boden abgebaut, so dass der gespeicherte Kohlenstoff früher wieder freigesetzt wird. Pflanzenkohle – so die Ergebnisse der Feld- und Laborversuche – eignet sich daher besser für die langfristige Bindung von Kohlenstoff und kann damit zu einem wichtigen Hilfsstoff für den Klimaschutz werden.
Zudem wurde in den wissenschaftlichen Versuchen deutlich, dass sich die Pflanzenkohle im Boden positiv auf Pflanzenwachstum und Bodenbewohner wie Regenwürmer auswirkt, während die meisten HTC-Kohlen eher toxische Effekte zeigten und sich negativ auf Pflanzenkeimung und -wachstum auswirkten – bis hin zu einem Fluchtverhalten der Regenwürmer. Die Ergebnisse waren so deutlich, dass die Studie empfiehlt, die HTC-Kohlen nicht oder nur mit Nachbehandlung durch Kompostierung zur Nutzung im Boden zu verwenden.
Bei der Verwendung von Pflanzenkohle auf dem Feld zeigt sich, dass ausschließlich mit Nährstoffen versetzte Pflanzenkohle zu höheren Erträgen führen kann. Darüber hinaus können so bearbeitete Böden größere Mengen an Nitrat aufnehmen. Nitrat als Bestandteil von Gülle oder Mineraldünger wird auf dem Feld oft durch Regen ausgewaschen und gelangt dann in hohen Konzentrationen ins Grundwasser – heute ein Problem für die Wasserwirtschaft. Mit Pflanzenkohle kann die Nitratauswaschung verringert werden.
In der Landwirtschaft werden die Versuchsergebnisse bereits in der Praxis bestätigt. Zurzeit wird Pflanzenkohle vor allem in der Tierhaltung eingesetzt, als Zusatz zum Futtermittel oder auch ergänzend bei der Stalleinstreu, zum Teil sogar als Futterbeigabe für unterstützende medizinische Maßnahmen. Hier spielt auch der Kreislaufgedanke eine Rolle: Wird Pflanzenkohle bereits dem Futter und/oder der Einstreu beigemischt, ist sie später auch in der Gülle bzw. im Mist vorhanden. Gülle und Mist mit Pflanzenkohle werden anschließend kompostiert und dann in den Boden eingearbeitet oder direkt ausgebracht. Von allen Stadien dieses Kreislaufes berichten praktizierende Landwirte über positive Veränderungen – von sinkenden Tierarztkosten, verbessertem Stallklima, weniger Geruchsbelästigung, einer nicht stinkenden, fließfähigeren Gülle, die keine Verätzungen an Pflanzen verursacht, bis hin zu steigenden Erträgen bei der Grünlandbewirtschaftung. In Zukunft kann neben der Landwirtschaft so auch in kommunalen Kompostierungsanlagen, im Weinbau, selbst in privaten Gärten aus den entstehenden Bio-Abfällen Pflanzenkohle hergestellt und – mit Kompost vermischt – wertvoller Dünger erzeugt werden, der das Potential für positive Umweltwirkungen wie eine verminderte Nitratauswaschung hat.