In Deutschland fallen laut Erhebungen des Statistischen Bundesamts jedes Jahr über 1,5 Millionen Tonnen Klärschlamm (Trockenmasse) an 1 .
Klärschlamm besteht vor allem aus der mikrobiellen Biomasse aus der biologischen Reinigung, sowie gefällten und geflockten Stoffen aus der chemischen Reinigung. Damit enthält er Nährstoffe, die dem Abwasser entnommen wurden und möglichst rezykliert werden sollen. Zentral ist hier der Phosphor, dessen Recycling auch rechtlich vorgegeben ist.
Daneben enthält Klärschlamm Kohlenstoff, der in der mikrobiellen Biomasse gebunden ist und ursprünglich vor allem aus den Fäkalien und damit den Nahrungsmitteln stammt.
Eine Herausforderung stellen Schwermetalle dar, die aus Leitungen, Straßenabwässern und in gewissen Teilen auch aus Nahrungs- bzw. Nahrungsergänzungsmitteln stammen, sowie organische Schadstoffe, biologische Gefahren (Krankheitserreger), Kunststoffe und synthetische Hilfsmittel der Abwasserreinigung. Daher wird die Kompostierung oder direkte landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlämmen immer weiter reduziert und eine thermische Behandlung bevorzugt. Die Pyrolyse von Klärschlamm, d.h. eine thermische Behandlung bei mindestens 550 °C unter weitgehendem Ausschluss von Sauerstoff ist hier eine vielversprechende Option:
- Klärschlamm-Pyrolyse kann ohne zusätzliche Energiezufuhr durchgeführt werden. Bei der Pyrolyse wird der Klärschlamm in ein festes Pyrolysat, aber auch in gasförmige und kondensierbare Produkte umgewandelt. Die Gase werden verbrannt und stellen die Energie für die Trocknung und Pyrolyse des Klärschlamms in der Regel vollständig bereit. In Einzelfällen wird zusätzlich Abwärme aus der Verstromung des Faulgases zur Unterstützung der Trocknung eingesetzt.
- Durch die hohen Temperaturen in der Pyrolyse wird das Produkt vollständig hygienisiert. Kunststoffe und organische Schadstoffe werden zerstört.
- Klärschlammpyrolyse kann schon ab 30’000 Einwohnerwerten (EW) effizient umgesetzt werden, wodurch der Klärschlamm auf einer Vielzahl von Kläranlagen direkt vor Ort behandelt werden kann. Die Klärschlamm-Mono-Verbrennungen ist die aktuell politisch bevorzugte Form der Klärschlamm-Entsorgung. Im Vergleich kann sie in der Regel erst ab 500’000-1’000’000 EW sinnvoll gebaut und betrieben werden, sodass außerhalb von Großstädten, Klärschlamm von kleineren Anlagen zu einer zentralen Anlage transportiert werden muss. Diese kleineren Kläranlagen haben normalweise keine Möglichkeit zur Klärschlammtrocknung. Auch entwässerter Klärschlamm besteht in der Regel zu mindestens 75% aus Wasser, das transportiert werden muss. Getrockneter und pyrolysierter Klärschlamm zeigt gegenüber entwässertem Klärschlamm eine Massenreduktion um Faktor 8-10 (min. Faktor 3-4 für Wasser * Faktor 2-3 für Pyrolyse).
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Schwermetall-arme Klärschlamme (d.h. Klärschlamm-Pyrolysat hält die düngemittelrechtlichen Vorgaben für Schwermetallgehalte ein) könnten direkt in der Landwirtschaft angewendet werden, jedoch gibt es dafür in Deutschland bisher keinen rechtlichen Rahmen, obwohl dieser Pfad zentrale Vorteile vereint:
- geringstmögliche Aufwände und Emissionen für Klärschlamm-Behandlung und Phosphor-Recycling (vermiedene Emissionen);
- Klärschlamm-Pyrolysat stellt ähnlich der Pflanzenkohle eine messbare Kohlenstoffsenke (Negativemission) dar;
- Bodenverbesserung, z.B. in Bezug auf Reduktion der Lachgasemissionen nach Düngung.
- Durch Zugabe von Kaliumsalzen vor der Pyrolyse kann die Pflanzenverfügbarkeit des Phosphors in Klärschlammpyrolysat auf ein vergleichbares Niveau wie jenes von Triplesuperphosphat angehoben werden. Tripelsuperphosphat ist ein Standard-Phosphordünger in der konventionellen Landwirtschaft, der durch den Einsatz fossiler Energieträger geprägt ist.
- In Schwermetall-reichen Abwässern kann die Pyrolyse mit anderen Verfahren zur Phosphor-Rückgewinnung kombiniert werden, z. B. der Struvitfällung aus dem Abwasser oder dem Klärschlamm. Phosphorarmer Klärschlamm kann dann nach der Pyrolyse z.B. in Baustoffen angewendet werden und dient dort u.a. der Kohlenstoffspeicherung.
- Alternativ kann Pyrolysat aus Schwermetall-reichem Klärschlamm einem Verfahren zur Phosphor-Lösung unterzogen werden. Die Löslichkeit von Phosphor in thermisch behandelten Klärschlämmen ist eine Funktion der Temperatur: je höher die Temperatur, desto geringer die Löslichkeit. Mono-Verbrennung im Wirbelschichtofen behandelt Klärschlamm bei rund 950 °C. Klärschlamm-Pyrolyse findet bei 550-650 °C statt. Das Herauslösen kann ähnlich funktionieren, wie nach der Mono-Verbrennung, jedoch mit deutlich geringeren Transportemissionen (siehe Punkt 1).
Angesichts dieser Faktenlage fordert German Biochar e.V. die umfassende Zulassung von Pflanzenkohlen und Klärschlamm-Pyrolysaten in der Düngemittelverordnung (DüMV) unter Festlegung sinnvoller Schadstoff-Grenzwerte, um Phosphor-Recycling in Kombination mit Kohlenstoffspeicherung zu ermöglichen.
Der Arbeitsausschuss NA 062-02-85 des deutschen Instituts für Normung erarbeitet derzeit eine Norm "Pyrogene Kohlenstoffmaterialien". Diese Produktnorm umfasst Vorgaben zur Charakterisierung von pyrogenen Kohlenstoffenmaterialien, benennt Analyseverfahren und Spezifikationen für einzelnen Anwendungsbereiche, auch für die Anwendung von Pflanzenkohle und Klärschlamm-Karbonisaten im Boden.
Davon ausgehend soll die Düngemittelverordnung im Punkt 7.1.10 wie folgt angepasst werden:
7.1.10 | Kohlen | Braunkohle, auch Leonardit, Xylith, nicht als Rückstand aus vorherigen Produktions- oder Verarbeitungsprozessen |
Verwendung von Braunkohle:
Boden- und Substratanwendung gemäß DIN Pyrogene Kohlenstoffmaterialien ohne Einschränkungen |
Phosphordünger aus der Pyrolyse von Klärschlamm soll im Sinne der Kreislaufwirtschaft und zur Sicherung der Ressourcen-Unabhängigkeit zugelassen werden. Dazu muss Tabelle 6.2 um folgende Zeile ergänzt werden:
6.2 Phosphatdünger aus der [Bezeichnung nach Spalte 1] nach Anlage 1 Nummer 1.2.9 | |||
Ausgangsstoff, Stoffgruppe oder Herkunft | Einschränkung der zulässigen Ausgangsstoffe | Ergänzende Vorgaben und Hinweise | |
6.2.X | Pyrolyse von Klärschlämmen | Pyrolysate von Klärschlämmen nach Tabelle 7.4 Nummer 7.4.3 | Spezifische Vorgaben der DIN Pyrogene Kohlenstoffmaterialien sind einzuhalten. |
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